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VER – ÄNDERUNG

Dies wird wahrscheinlich mein persönlichster Artikel, den ich je schreiben werde. Wahrscheinlich hab ich ihn deswegen schon etliche Male angefangen und kann dennoch nicht die richtigen Worte finden. Weil es mir eigentlich nicht wirklich liegt, Leuten zu erzählen, wie es in meiner Gefühlswelt aussieht. Und genau das bringt mich zum Thema dieses Artikels.

Wie haben wir uns in den letzten 3 Jahre verändert? Was hat diese Zeit mit uns gemacht? Mit uns – als Menschen.

Ich weiss noch, als ich zum ersten Mal meinen Rucksack packte, um auf eine Demo gegen die Coronamaßnahmen zu gehen. Ich wusste nicht,  was auf mich zukommen wird. Ich wusste nicht, welche Leute ich dort treffen werde und mit welchen Schicksalen ich konfrontiert sein werde. Ich habe meiner Freundin damals versprochen, dass mich das, was ich ab jetzt tun werde, nicht verändern wird. Doch wie soll man es schaffen, in einer völlig verrückt gewordenen Welt, noch so zu bleiben wie man bisher gewesen ist? Meine Tochter war erst vor kurzem zur Welt gekommen und ich wollte sie wahrscheinlich einfach nur beruhigen, doch im Insgeheimen wusste ich, dass ich dieses Versprechen vielleicht nicht halten kann.

Nach der ersten Demo habe ich dann gelesen, was die Zeitung über uns schreibt. Wir wären Rechtsradikale, Nazis, Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Staatsverweigerer, aggressiv, gewaltbereit und so weiter und so fort. Ich muss zugeben, dass mich das damals wirklich gekränkt hat. Ich muss anmerken, dass ich ein Mensch bin, der sich so etwas zu Herzen nimmt. Für mich gibt es kein «das ist nur so dahingesagt».

Ich kenne den Wert und vor allem die Macht von Worten, ansonsten würde ich nicht meine Artikel schreiben und als ich das gelesen habe, war mir von Anfang an bewusst, was diese falsche Darstellung bei der Gesellschaft anrichten würde. Wie das unser Bild in der Gesellschaft für immer verändern würde. Ich habe mich tagelang darüber geärgert. Nicht wir waren die Feinde der Demokratie! Wir zwingen niemanden unseren Willen auf!

Ich verachte niemanden, weil derjenige eine andere Ansicht zu gewissen Dingen hat! Ich bin nicht der Faschist!

Mich überraschte auch, wie aggressiv die Polizei teilweise gegen uns vorging. Als hätten wir keine Rechte. Als wären wir keine Menschen. Ich wage es auch zu behaupten, dass einige Polizisten Spass daran hatten, so mit uns umzugehen.

Als ich dann zwei Wochen später wieder demonstrierte, wurde ich von mehreren Polizisten, die in voller Kampfmontur aufmarschierten, zu Boden gerissen, so dass ich mir eine Wunde am Kopf zuzog und eine Oberkörperprellung erlitt.

Nun, wie soll so ein Erlebnis jemanden nicht verändern? Wie soll man mit solchen Erfahrungen noch an Gerechtigkeit in unserem Land glauben?

Wie soll man noch an das Gute in gewissen Menschen glauben?

Ja – ich weiss, man kann jetzt sagen dass nicht alle Polizisten, beziehungsweise Menschen, gleich sind. Ja, das stimmt schon. Aber jeder könnte so sein und ist der Blickwinkel erst einmal verändert, lässt er sich sehr schwer wieder zurückverändern. Also was war mein Fehler, weswegen diese Polizisten glaubten, dass ich so etwas verdiene? Weil ich gewisse Fehler in der Politik aufzeige? Weil ich mir nicht von korrupten Politikern vorschreiben lassen will, was ich zu tun und zu lassen habe?

Weil ich befürchte, dass wir jedes kleine Stückchen Freiheit, dass wir jetzt im «Namen der Gesundheit» aufgeben, am Ende nie mehr zurückbekommen werden? Weil ich ein besorgter Vater bin, der seine Tochter in Freiheit aufwachsen sehen möchte? Weil ich möchte, dass sie niemals ihr unbeschwertes Lachen verliert? Das Lachen, dass für mich alles auf der Welt bedeutet. Ist das mein Verbrechen?

Ich muss zugeben, je mehr ich ihr Lachen beschütze, desto mehr verliere ich mittlerweile mein eigenes, aber wenn das der Preis ist, bin ich gerne bereit diesen zu bezahlen. Ich habe bisher etliche Anzeigen und Ermittlungen, die gegen mich geführt wurden, doch bringt mich das bestimmt nicht von meinem Weg ab und ganz bestimmt nicht von der Strasse. Viele fragen mich, warum ich mir das überhaupt noch antue. Doch wenn ich mir das nicht antue, wer dann? Und was wäre, wenn das jeder sagen würde? Wenn sich das keiner mehr antun würde? Wer nimmt dann unseren Platz ein? Vielleicht «niemand»? Und was kann «niemand» ändern? Richtig, gar nichts! Und bei allem, was ich schon auf der Strasse erlebt habe, muss ich sagen, so komisch es sich anhört, ist mein Platz genau dort. Jeder Schritt, den ich dort mache, bringt mich ein Stück weiter, in Richtung meines Zieles. Unserem Ziel! Und mit jedem Schritt verändern wir uns, unsere Gesellschaft und auch, zumindest sehe ich das so, die Strasse auf der wir gehen. Irgendwann, wenn meine Tochter alt genug ist, möchte ich mit ihr die Ringrunde gehen, die wir alle 2 Wochen marschieren und ihr erzählen, wie wir dort gegen die Unterdrückung in unserem Land gekämpft haben. Dass sich ihr Vater gegen Polizisten stellte, die hinter eisernen Strassensperrgittern standen. Dass er alles Mögliche getan hat, um das Böse zu besiegen. Dass er nie einen Schritt zurückwich und mit völlig Fremden Seite an Seite für das Gute gekämpft hat. Dass er zwar grosse Angst hatte, aber er für seine Tochter selbst diese überwunden hat.

Wenn ich auf einer Demo bin, blicke ich immer gerne in den Himmel. Es fühlt sich immer seltsam und surreal an. Ich liebe die Ruhe, die dort oben herrscht, während hier unten ein Chaos aus Sirenen und Pfefferspray regiert. Ich bewundere seine grenzenlose Freiheit, eine Freiheit die wir eigentlich alle hätten, doch die wir uns von ein paar machtgeilen Personen, die sich die Unterdrückung der Menschheit zum Lebensziel gemacht haben, nehmen lassen.

Wir könnten so vieles sein. Wir könnten alle eins sein. Doch wir lassen uns spalten. Durch Grenzen die sie ziehen, durch Lügen, die sie uns lehren und durch Stempel, die sie uns aufdrücken. Dann frage ich mich immer: »Wann wird sich das jemals ändern? Wann werden wir uns endlich ändern? Werden wir uns jemals ändern?» 

Ich höre oft Leute zu mir sagen, dass es mehr Menschen wie mich geben müsste. Aber was bin ich für ein Mensch? Was macht mich ihrer Meinung nach anders als die anderen? Was mache ich anders als die anderen?

Ehrlich gesagt weiss ich die Antworten darauf auch nicht. Ich verzweifle auch manchmal und liege nachts wach, weil ich keinen Plan habe, wie es weiter gehen soll. Obwohl ich immer ausgeglichen und selbstsicher wirke, weiss ich auch nicht alles. Eigentlich weiss ich gar nichts. Wie soll man auch in einer Welt, in der anscheinend keine Logik mehr herrscht, noch etwas wissen können?

Ich weiss nur, ich wache jeden Tag auf, und bin bereit über meine Grenzen hinauszugehen, um das Leben, dass wir jetzt gerade unter diesen Umständen führen müssen, in ein besseres zu verwandeln. Ich weiss, dass ich bereit bin Opfer zu bringen, um das zu erreichen. Und ich rede jetzt nicht davon auf einen Restaurantbesuch oder einen Shoppingtag in Parndorf zu verzichten.

Versteht mich nicht falsch – ich würde auch gerne mit meiner Tochter in den Zoo gehen oder ihr einen Christkindlmarkt zeigen, aber das sind für mich keine Opfer. Zwar ist es meine persönliche Motivation, ihr bald einen Christkindlmarkt zeigen zu können, aber ich rede davon, sich selbst zurückzunehmen und seine eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen, damit das grosse Ganze vorankommt. Dinge zu tun, die man vor einiger Zeit noch für unmöglich gehalten hat.

Ich habe am 20.11. 2021 zum ersten Mal auf einer Demo gesprochen. Ich mag es eigentlich nicht im Mittelpunkt zu stehen, aber ich dachte mir es müssen gewisse Dinge gesagt werden, die bisher noch niemand gesagt hat. Ich konnte die Nacht davor nicht schlafen und bereits als ich aufgestanden bin, hab ich gezittert als hätte ich Schüttelfrost.

Als ich auf der Bühne stand und mich tausende Menschen ansahen, bekam ich nur schwer einen zusammenhängenden Satz aus mir heraus. Doch als ich merkte dass mir diese Menschen wirklich zuhören, wirklich verstehen was ich ihnen sagen möchte und fühlen welcher Schmerz und welche Wut in jedem meiner Wörter steckt, war es ein überwältigendes Gefühl. Ich bin für diese Erfahrung sehr dankbar und ich hoffe, dass ich die Welt an diesem Tag, ein Stück zum Positiven verändern konnte.

Mir ging es nicht darum, auf einer Bühne zu stehen und gesehen zu werden, sondern darum etwas zu bewegen. Veränderung beginnt zuerst in uns. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es für jeden von uns einen Plan auf dieser Welt gibt, dem wir folgen, die Frage ist nur, ob wir ihn akzeptieren oder nicht.

Werden wir ein Teil der Veränderung sein, oder nicht? Lassen wir diese Veränderung zu, oder nicht?

Zugegeben – Veränderung kann einem Angst machen, weil sie meist mit Ungewissheit verbunden ist, aber muss Veränderung immer negativ behaftet sein?

Veränderung bedeutet doch auch Weiterentwicklung. Veränderung bedeutet, aus alten Fehlern lernen. Veränderung bedeutet, nicht mehr zu akzeptieren, wie es bisher gewesen ist. Es kommt jetzt immer öfter vor, dass einige Menschen meinen, dass ich nicht mehr der Alte bin. Dass ich früher lustiger gewesen bin. Dass mein Lachen herzlicher gewesen ist. Dass ich früher unbeschwerter war. Nun – wie würde es euch gehen, wenn ihr jeden Tag eine Gradwanderung zwischen Freiheitskampf, Aufklärung des Umfeldes und halbwegs vernünftigem Familienleben vollbringen müsstet?

Wie würde es euch gehen, wenn ihr ständig mit schlimmen Schicksalen konfrontiert werdet, euch Leute um Hilfe bitten, und dabei ihre ganze Hoffnung in euch stecken? Wie würde es euch gehen, wenn Menschen euch als eine Art Orakel sehen, dass ihnen erzählen soll, dass bald alles wieder gut wird? Wie würde es euch gehen, wenn ihr Menschen Zuversicht geben müsst, obwohl ihr selbst gerade nicht weiter wisst?

Anfangs wollte ich nie in diese Lage kommen, in der ich mich jetzt befinde, das war nie mein Plan, allerdings bin ich heute dafür dankbar, dass ich es bin. Ich kann Menschen helfen. Ich kann ein wenig Ruhe in das Chaos bringen. Mich persönlich stört es nicht sehr, sollte ich mich verändert haben, doch ich habe meiner Freundin am Anfang versprochen, dass ich mich nicht verändern werde. Das bin ich ihr irgendwie schuldig, denn sie verdient es, den Mann zu behalten, in den sie sich einst verliebt hat.

Und ich bemühe mich wirklich dieser Mann zu bleiben, denn sie musste in den letzten zwei Jahren auf so vieles verzichten. Ein intaktes Familienleben. Einen Partner der da ist. Stattdessen hat sie einen Mann an ihrer Seite, der obwohl er da ist, nur körperlich anwesend ist. Stattdessen ist sie jedes Mal wenn ich das Haus verlasse, um auf eine Demo zu gehen, in Sorge ob ich gesund wieder nach Hause komme.

Stattdessen haben wir manchmal Streit, weil ich allen Menschen helfen möchte, aber sie dabei vergesse. Weil ich ihr manchmal nicht die Wertschätzung gebe, die sie verdient. Dabei mache ich alles was ich tue, eigentlich nur für sie und unseren kleinen Sonnenschein. Ich weiss, sie macht sich eigentlich nur Sorgen. Sie ist die stärkste Frau die ich kenne, weil sie das alles so erträgt. Auch sie bringt ihre Opfer.

Ja – ich denke wir haben uns verändert.

Die Welt um uns herum. Wir alle. Manche zum Guten, manche zum Schlechten. Manche wuchsen über sich selbst hinaus und manche zeigten wie hässlich ihr Innerstes ist. Manche kämpfen für das Böse und manche stellen sich ihnen entgegen.

Und was mich angeht, erinnert mich meine Situation an das Lied «Ich komm zurück» von Gentleman, auf das ich durch Zufall gestossen bin, in dem er singt:

Ich leg’ Krümel auf meinen Wegen aus

Und später führen sie mich nach Haus

Auch wenn ich nicht auf dem Weg bleib’

Weil mich was ablenkt und umtreibt

Auch wenn du mich grad nicht siehst

Ich komm’ zurück, glaub mir, ich komm’ zurück

Für mich heisst das, dass ich meiner Freundin versprochen habe mich nicht zu verändern. Doch ich wusste von Anfang an, dass ich mich verändern werde. Darum habe ich Krümel auf meinem Weg ausgestreut, um später wieder zu mir selbst zurückzufinden. Auch wenn sie gerade nicht den Mann sieht, in den sie sich damals verliebt hat, verspreche ich ihr, dass er wieder zurückkommen wird.

@Thomas Karlik