Zum Inhalt springen

Synthetische Biologie – Zellcomputer mit zwei Rechnerkernen!

ETH-Forscher bauten nach digitalem Vorbild menschlichen Zellen zwei Rechnerkerne aus biologischen Materialien ein.

ETH-Forscher bauten menschlichen Zellen in zwei Rechenkernen ein, die auf dem Crispr/Cas-System beruhen. Damit machten sie einen großen Schritt hin zu einem leistungsfähigen Zellcomputer.

Schon lange gehört es zu den großen Zielen der Synthetischen Biologie, die Aktivität von Genen mit Rechenschaltungen nach digitalem Vorbild zu steuern. In der Digitaltechnik werden sogenannte logische Gatter verwendet, um Eingangssignale zu verarbeiten. Sie ermöglichen beispielsweise Schaltungen, bei denen beide Eingangssignale A und B gleichzeitig vorhanden sein müssen, damit das Ausgangssignal C produziert wird.

Bislang versuchten die Biotechnologen solche digitalen Schalter mit Hilfe von Protein-Gen-Schaltern in Zellen nachzubauen. Diese hatten jedoch einen entscheidenden Nachteil: Sie waren wenig flexibel, ließen nur einfache Programmierungen zu und konnten jeweils nur ein einziges Eingabesignal, zum Beispiel ein bestimmtes Stoffwechselmolekül, verarbeiten. Komplexere Rechenvorgänge sind deshalb in Zellrechnern nur bedingt möglich, anfällig und stürzen häufig ab.

Zwar kennt auch die digitale Welt Schalter, die nur auf einer einzigen Eingabe beruhen, nämlich Elektronen. Die elektronischen Schalter machen dies jedoch durch ihre Geschwindigkeit wett: Sie werden bis zu einer Milliarde mal pro Sekunde angesteuert. Verglichen damit sind Zellen langsamer. Dafür können sie bis zu 100.000 unterschiedliche Stoffwechselmoleküle pro Sekunde als Eingabe verarbeiten. Bisherige Zellrechner konnten diese enorme metabolische Rechenkapazität einer menschlichen Zelle allerdings nicht annähernd ausschöpfen.

Eine CPU aus Biobauteilen

Ein Team von Forschern um Martin Fussenegger, Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel, hat nun einen Weg gefunden, einen zentralen Prozessor, die central processing unit (CPU) aus biologischen Bauteilen zu konstruieren, die flexibel und vielseitig programmierbar ist.

Den Kern des Prozessors stellt eine spezielle Variante des Cas9-Proteins dar. Die CPU reguliert als Antwort auf die Eingabe durch Leit-RNA-Sequenzen die Aktivität eines bestimmten Gens, sodass das zugehörige Protein hergestellt wird. Damit konnten die Forscher in menschlichen Zellen skalierbare Schaltnetze programmieren, welche wie digitale Halbaddierer aus zwei Eingängen und zwei Ausgängen bestehen und zwei einstellige Binärzahlen addieren können.

Ein solcher Zellcomputer könnte dazu verwendet werden, biologische Signale aus dem Körper, wie gewisse Stoffwechselprodukte oder Botenstoffe wahrzunehmen, sie zu verarbeiten und wunschgemäß zu reagieren. Programmiert man die CPU entsprechend, könnten die Zellen zwei verschiedene Biomarker als Eingangssignale wahrnehmen. Ist nur Biomarker A vorhanden, dann reagiert der Biocomputer mit der Bildung eines diagnostischen Moleküls oder eines Wirkstoffs. Registriert der Zellcomputer nur Biomarker B, dann löst er die Bildung eines anderen Wirkstoffs aus. Sind beide Biomarker vorhanden, dann erzeugt dies eine dritte Reaktion. Angewendet könnte dies in der Medizin, zum Beispiel zur Behandlung von Krebs.

Originalpublikation:

Kima H, Bojara D, Fussenegger M.; CRISPR-CPU: A CRISPR/Cas9-based central processing unit to program complex logic computations in human cells. PNAS, 9. April 2019, 116 (15) 7214-7219; doi:10.1073/pnas.1821740116.

Dieser Beitrag ist zuerst ETH-News erschienen.