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Atombomben in Europa!

Nukleare Waffen prägen die Geschichte Europas seit fast 60 Jahren. Im März 1955 bringen die US-Streitkräfte ihre ersten atomaren Sprengkörper in die Bundesrepublik Deutschland. Danach folgen Sprengköpfe für atomare Matador-Marschflugkörper und Artilleriegranaten vom Kaliber 280 Millimeter, auch für Corporal-Raketen, 203-Millimeter-Geschosse für Haubitzen und atomare Landminen.

Anfangs der 1960er Jahre lagern in der Bundesrepublik Deutschland bereits zehn Typen von Atomwaffen. Fast alle besitzen eine grössere Sprengkraft als die Bombe, die Hiroshima zerstören kann.

Es beginnt eine atomare Aufrüstungswelle, auf deren Höhepunkt etwa 7.300 US-Atomwaffen für unterschiedlichste Aufgaben in Europa gelagert werden.

In den Jahren 1958/59 beginnt auch die Sowjetunion mit der vorgeschobenen Stationierung nuklearfähiger Trägersysteme auf dem Territorium ihrer Bündnispartner. In der DDR entstanden über die Jahre bis zu 31 Lager für die atomaren Sprengköpfe von Kurz- und Mittelstreckenraketen sowie für atomare Bomben und andere Atomwaffen. Wahrscheinlich werden dort mehr als 1.000 atomare Waffen eingelagert.

In der NATO werden atomare Waffen in Europa lange vorrangig als Gefechtsfeldwaffen betrachtet, also Waffen, deren Einsatz einen begonnenen Krieg eskalieren kann, aber dem gleichen Ziel dient wie der Einsatz konventioneller Waffen:

Der Gegner soll auf dem Gefechtsfeld reduziert, gestoppt, behindert oder geschlagen werden. Entsprechend ausgereift sind die Planungen für den Einsatz atomarer Waffen. Die Eventualität, Atomwaffen als Erster einzusetzen, ist begründender Bestandteil der NATO-Strategie.

Washington und Moskau sollten sich bewusst sein, dass jeder Nuklearwaffeneinsatz in Europa mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch russisches und amerikanisches Kernland in Mitleidenschaft ziehen würde.

Auch heute noch lagern die USA etwa 150 bis 200 atomare Bomben in Europa. Bei diesen Waffen handelt es sich um nukleare Bomben der Typen B-61-3 und B-61-4. Diese verfügen über ein vergleichsweise modernes Sicherungssystem und haben eine modifizierbare Sprengkraft von 0,3 bis zu 50 Kilotonnen bzw. 0,3 bis zu 170 Kilotonnen. Ersteres entspricht der vierfachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe.

Die atomaren Waffen für die NATO sind heute auf sechs Luftwaffenstützpunkten in Kleine Brogel (Belgien), Büchel (Deutschland), Aviano und Ghedi Torre (Italien), Volkel (Niederlande) und Incirlik (Türkei) stationiert.

So können an diesen Positionen bis zu 392 Waffen gelagert werden. Neben den USA halten Belgien, Deutschland, Italien und die Niederlande weiterhin Trägerflugzeuge für einen Nuklearwaffeneinsatz bereit, die Türkei kann diese Aufgabe jederzeit wieder übernehmen.

Andere NATO-Staaten können sich im Ernstfall an nicht nuklearen Unterstützungsaufgaben beteiligen.

In Deutschland sind 10 bis 20 atomare Bomben in Büchel, dem Sitz des Jagdbombergeschwaders 33 der Bundeswehr, gelagert. Für bis zu 44 Waffen ist dort theoretisch Platz. Die Bundeswehr hat der NATO die Gewährleistung von 46 nuklearfähigen Trägerflugzeugen für die Daueraufgabe atomarer Teilhabe zugesagt und stationiert 44 ihrer künftig noch 85 Tornados.

Atomwaffen werden in Europa in geschützten unterirdischen Depots aufbewahrt, die in den Fußboden der Flugzeugschutzbauten eingebaut sind. Die Magazine wurden so konstruiert, dass sie theoretisch sowohl einem Feuer als auch einem bewaffneten Angriff solange standhalten können bis Hilfe eintrifft. Jedes Depots kann maximal vier Waffen aufnehmen.

Die Nuklearwaffen in Europa sind primär für Aufgaben der NATO vorgesehen. Eingesetzt werden dürfen und können sie nur, wenn der US-Präsident sie freigegeben hat und der Freigabecode auf einem besonderen US-Befehlsweg eingegangen ist. Die USA behalten sich zudem das Recht vor, in Europa gelagerte Nuklearwaffen auch zur Unterstützung des für den Nahen und Mittleren Osten zuständigen, regionalen Oberkommandos CENTCOM einzuplanen.

Da einige Segmente der Waffen bald das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreichen, entschieden sich die USA 2010, ein umfassendes Modernisierungsprogramm für vier Versionen der B61-Bombe zu beginnen. Sie sollen durch ein einziges neues Nachfolgemodell ersetzt werden, das die Sprengkraft der kleinsten bisherigen Version besitzt, aber dafür als sehr zielgenaue Präzisionswaffe ausgelegt werden soll. 

Die Lebensdauer der Waffen soll um etwa 30 Jahre verlängert werden.

Nach Angaben der zuständigen National Nuclear Security Administration (NNSA) soll die neue Version ab 2017/18 zur Stationierung in Europa verfügbar sein und etwa vier bis fünf Milliarden Dollar kosten. Inzwischen geht das Pentagon davon aus, dass dies erst 4 bis 5 Jahre später und zu Gesamtkosten in der Größenordnung von mehr als 11 Milliarden Dollar möglich sein wird.

 Die europäischen Staaten, die sich daran beteiligen, sind nicht nukleare Mitglieder des Nichtverbreitungsvertrages (NVV, Atomwaffensperrvertrag) und haben sich völkerrechtlich verpflichtet, auf die Kontrolle über Atomwaffen zu verzichten. Die USA dürfen die Kontrolle über diese Waffen unter keinen Umständen abgeben. 

https://youtube.com/watch?v=fleThMH_bVs%3Ffeature%3Doembed
In Auftrag gegebenes Video des österreichischen Aussenministeriums – von Aussenminister Alexander Schallenberg – im Jahr 2021

Standorte der Atomwaffen in Europa:

Anzahl der nuklearen Sprengköpfe:

Tabelle: US Atomwaffen in Europa:

FLUGPLATZLANDUNTERFLUR-
MAGAZINE
WAFFEN
GELAGERT
(GESCHÄTZT)
WAFFEN
LAGERBAR
(MAX)
EINHEITEN UND STATUS
BüchelD1110-2044Jabo-
Geschwader 33 der Bundeswehr mit Tornado-Flugzeugen**
RamsteinD54*00 (216)86. Lufttransport-
Geschwader mit C-130-Transportern
Kleine BrogelB1110-204410. taktisches Geschwader der belgischen Luftwaffe mit F-16-Flugzeugen
VolkelNL1110-20441. Jagdbomber-
Geschwader der holländischen Luftwaffe mitF-16 Flugzeugen.
LakenheathGB3300 (132)48. Jagdbomber-
Geschwader der USAF mit F-15E-Flugzeugen
AvianoI18507231. Jagdbomber-
Geschwader der USAF mit F-16-
Flugzeugen
Ghedi-TorreI1120-40446. Geschwader der italienischen Luftwaffe mit Tornado-Flugzeugen.
AraxosGR600 (24)116. Geschwader der griechischen Luftwaffe mit A-7 Corsair II-
Flugzeugen
IncirlikTR250-50100rotierende Einheiten der USAF
NörvenichD1100 (44)Jabo-Geschwader mit Tornado-Flugzeugen*
Murted/AkinciTR600 (24)4. Geschwader der türkischen Luftwaffe mit F-16-Flugzeugen
BalikesirTR600 (24)9. Geschwader der türkischen Luftwaffe mit F-16-Flugzeugen
*plus ein weiteres Magazin für Ausbildungs- und Übungszwecke.
**sollen ab 2012-2015 auf nicht-nukleare Eurofighter umgerüstet werden
GesamtNATO87 aktiv
116 inaktiv
100-200392

Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (NPT) :

Der 1970 in Kraft getretene Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (Non-Proliferation Treaty, NPT) stellt mit 190 Vertragsstaaten das völkerrechtliche Fundament des internationalen Nuklearregimes und einen Eckpfeiler der nuklearen Nichtverbreitung dar. Der Vertrag verpflichtet seine Mitglieder – mit Ausnahme der fünf Atomwaffenstaaten China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – zum Verzicht auf Atomwaffen und schreibt gleichzeitig das Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie fest. Die fünf Atomwaffenstaaten verpflichten sich ihrerseits zur nuklearen Abrüstung und zum Ziel der vollständigen Eliminierung von Atomwaffen. Indien, Israel und Pakistan sind dem NPT nicht beigetreten. Die Demokratische Volksrepublik Korea hat 2003 den Austritt aus dem Vertrag erklärt. Die Vertragsstaaten treffen alle fünf Jahre zu einer Überprüfungskonferenz zusammen, um den Stand der Umsetzung des NPT zu überprüfen.

Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (TPNW):

Aufbauend auf der Humanitären Initiative für Nukleare Abrüstung, sowie den Ergebnissen der im Jahr 2016 in Genf tagenden Offenen Arbeitsgruppe für die Voranbringung multilateraler nuklearer Abrüstungsverhandlungen, beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf Initiative Österreichs und einiger weiterer Staaten im Jahr 2016 die Einberufung einer Konferenz zur  Verhandlung eines völkerrechtlichen Verbots von Atomwaffen. 

Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT)

Der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Nuclear-Test-Ban-Treaty, CTBT) sieht ein Verbot aller nuklearen Explosionen vor.

hier weiterlesen: bmeia.gv.at

@Milka