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2012 – Klaus Schwab, der Gründer des WEF und seine Auftakt!

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Mit 6000 Dollar hat Klaus Schwab begonnen, später hat er das Startkapital vergoldet. Mehr als 50 Jahre nach der Gründung ist das Weltwirtschaftsforum ein Multimillionen-Dollar-Business. Im Jahr 2012 weist die in Genf ansässige Stiftung und Lobbyorganisation mit rund 1000 Mitgliedsunternehmen einen Umsatz von 383,4 Millionen Franken aus – gut 100 Millionen mehr als nur fünf Jahre zuvor.

Der Eindruck ist der einer Edeluniversität. Es herrscht ein reges Kommen und Gehen, das Jungvolk sitzt an den Tischen, diskutiert und schreibt auf dem Laptop.

Auf 2400 Quadratmetern arbeiten über 300 Personen aus 55 Nationen, das Durchschnittsalter beträgt 37 Jahre, Frauen stellen mit 60 Prozent die Mehrheit. Einzig alleine der Chef hat ein eigenes Büro, mit Ausblick auf den Lac Léman.

«Die Tatsache, dass wir alle Entscheidungsträger integrieren, ist unser Erfolg», sagt Klaus Schwab, Vorsitzender des Stiftungsrates und Präsident der Stiftungsleitung.

Auf Nachfrage greift der 1938 im deutschen Ravensburg Geborene Klaus Schwab aus: «Die grossen Probleme unserer Gesellschaft können nur gruppenübergreifend gelöst werden. Unser Beitrag ist, dass wir Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler und Vertreter von Organisationen an einen Tisch bringen und zum gemeinsamen Handeln motivieren.»

Die Aktivitäten des selbsternannten unabhängigen World Economic Forum basieren auf einem globalen Netzwerk, das über die letzten Jahrzehnte immer mehr verfeinert wurde.

Das WEF hat 1000 Mitglieder, welche die weltweit grössten Unternehmen repräsentieren. Sie ließen sich von der Stakeholder-Idee Schwabs überzeugen, dass nämlich Firmen nicht nur für ihre Aktionäre wirtschaften, sondern auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft tragen. Eine Idee, welche die Firmen einiges kostet.

Die auf 100 limitierten strategischen Partner, die bedeutendsten Verbündeten des WEF, bezahlen jährlich einen Beitrag von 500  000 Franken. Die 250 Industriepartner überweisen 250  000 Franken. Den 650 Stiftungsmitgliedern wird ein Jahresbeitrag von je 50  000 Franken in Rechnung gestellt. Alleine diese tausend Mitglieder finanzieren, entweder mit Cash oder Dienstleistungen, beinahe das gesamte Budget.

«Wir wollen an dem Limit von höchstens tausend zahlenden Partnern und Stiftungsmitgliedern auf keinen Fall rütteln.» Der Spielraum des Forums bleibt begrenzt. Der Innerschweizer Zwinggi: «Wir richten uns strikt nach dem Grundsatz: Die Einnahmen müssen die Kosten decken. Ein Gewinn darf, muss aber nicht anfallen.»

Dennoch hat sich Stiftung 25 Millionen erworben.

Das WEF ist finanzstärker als es scheint. Vor einiger Zeit wurde am Hauptquartier ein Anbau eingeweiht. Die Kosten von zirka 30 Millionen Franken wurden aus den Eigenmitteln bezahlt. Zudem hat der bestehende Bau, der 1997 für 20 Millionen errichtet wurde, bereits amortisiert. Und von ungefähr 9000 Quadratmetern Land steht ein Teil im Besitz des WEF und den Rest stellt die Gemeinde im Baurecht zur Verfügung.

Die weiteren Mitgliedfirmen des WEF, dies sind globale Wachstumsunternehmen und Technologiepioniere, bezahlen dagegen nur einen geringen Beitrag. Damit werden die zukünftigen Konzerne frühzeitig an das Netzwerk eingebunden.

Eine der Aktivitäten des WEF ist das Verfassen von Berichten zu einem aktuellen Thema oder als jährlich wiederkehrende Studien. Bekannt sind der Corporate Gender Gap Report, der Global Risk Report oder der Global Enabling Trade Report. Das am meisten beachtete Produkt des WEF ist der Global Competitiveness Report. Der 500 Seiten Bericht definiert die Wettbewerbskraft von den Ländern.

«Viele Regierungen sind von unseren Arbeiten derart begeistert, dass sie eigene Berichte erstellen. Dann bieten wir ihnen Hilfe an, vor allem bei der Methodologie», erläutert die Chefökonomin Jennifer Blanke.

Die Studie wird seit 1979 herausgegeben. Vorübergehend wurde der Bericht in einem Joint Venture mit der IMD Business School in Lausanne verfasst. Doch die Zusammenarbeit scheiterte an unterschiedlichen Vorstellungen. Der Leiter des World Competitiveness Center am IMD, Professor Stéphane Garelli, arbeitete einst jahrelang beim WEF als Managing Director.

«Wir sehen uns nicht als Konkurrenten, vielmehr ergänzen sich die beiden Produkte», sagt er.

Das IMD-Produkt kostet rund 800 Franken, beim WEF wird der Bericht gratis ausgegeben.

Das WEF funktioniert zu einem guten Teil als Think Tank. Im Unterschied zur Denkfabrik Avenir Suisse berät das Forum Unternehmen, Regierungen, Organisationen und weitere Kreise bei der Umsetzung verschiedenster Vorhaben. Sie sorgt global für die entsprechenden Netzwerke, wo die Umsetzungen passieren.

Beste Gelegenheit für das Knüpfen neuer Kontakte sind auch die jährlichen regionalen Treffen. Zu einer zunehmend gewichtigen Organisation entwickelt sich das WEF in der USA.

Immer mehr Aufmerksamkeit gewinnt das WEF auch in China und Peking.

Dem Bau von Beziehungsnetzen wird auch in anderen Bereichen höchste Priorität beigemessen. Am Forum in Davos sind viele Mitarbeiter damit beschäftigt, alte Beziehungen wieder aufleben zu lassen und neue zu knüpfen. Nicht weniger bedeutungsvoll sind die von Cologny aus gewobenen Netze. Da glänzt Klaus Schwab durch hohe Innovationskraft. Dank den von ihm initiierten Plattformen und Foren werden die Netzwerke laufend feinmaschiger.

Ein grosses Highlight von Schwab sind die 2004 gegründeten Young Global Leaders. Über dieses Forum laufen viele Aktivitäten, die Mitglieder erweisen sich als sehr einsatzfreudig. Zudem stellt diese wirtschaftliche und politische Weltelite der Zukunft die nächste Generation an vollzahlenden WEF-Mitgliedern. Mächtige Instrumente sind daneben das International Business Council sowie weitere Foren.

Mit dem Ausbildungsprogramm Global Leadership Fellows gibt Schwab ein grosses Wissen weiter. Angehende und vielversprechende Führungskräfte erhalten am Genfersee die letzte Politur. Das WEF kann dank dem Lehrgang sein Image aufpolieren. Und erhält als Dreingabe hoch qualifizierte aber doch günstige Arbeitskräfte.

Mit einem Durchschnittslohn von rund 140 000 Franken lassen sich keine bestens ausgebildeten Kräfte anlocken. Es sei denn, der Arbeitgeber heisst WEF. Auf eine ausgeschriebene Stelle treffen, je nach Art der Position, 100 bis 500 Bewerbungen ein.

Auf die Frage, ob er sich eine Million für seine Dienste überweisen lässt, kann Schwab ein Lächeln nicht unterdrücken. Seine Entlohnung richte sich nach dem höchstbezahlten Angestellten des Bundes, Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand (Basissalär 833 000 Franken).

Von der Nach-Schwab-Ära will der Davoser Ehrenbürger nichts wissen. Als sich das Gespräch um seine Nachfolge dreht, meint er, bei Künstlern wie Claudio Abbado oder Hans Erni wäre jedermann überrascht, wenn die plötzlich aufhörten.

«Nur bei Klaus Schwab fragen sich die Leute, weshalb er noch nicht pensioniert ist. Diese Leute verkennen, was mich motiviert.» Und stellt klar: «Solange ich meine Innovationskraft behalte und körperlich fit bin, werde ich weitermachen.»

Schwabs Sprösslinge scheinen ihr Glück in der Stiftung zu suchen. «Meine Kinder sind mit dem Forum aufgewachsen und eng damit verbunden. Dennoch haben beide klar gesagt, sie würden nur einige wenige Jahre hier arbeiten und dann etwas Neues beginnen. Sowieso ist das Forum eine Stiftung, sie gehört also der Allgemeinheit und nicht der Familie.» Tochter Nicole hat das Forum Young Global Leaders etabliert und danach das WEF verlassen. Sohn Olivier leitet seit knapp einem Jahr den Mitgliederbereich Technology Pioneers.

Und falls Klaus Schwab einen tödlichen Unfall erleidet? Natürlich habe er vorgesorgt, grummelt der Angesprochene. Nach kurzem Zögern legt der WEF-Lenker erstmals sein Notfallszenario offen: Im Todesfall würde sein Doppelmandat aufgeteilt. Eine Position übernimmt ein Mitglied des Stiftungsrats mit unternehmerischem Hintergrund, die andere Stelle würde mit einem wirtschaftsunabhängigen Stiftungsrat besetzt. «Das Forum umfasst zwar die grössten Unternehmen der Welt, doch es darf sich nicht in eine Wirtschaftsorganisation wandeln», sagt Schwab. Sonst wäre es um die Glaubwürdigkeit geschehen. «Dann würden viele Stakeholder dem WEF den Rücken kehren, und wir wären selbst für die Unternehmen nicht mehr interessant.» Wer aus dem höchst prominent besetzten Stiftungsrat für diese Posten gesetzt ist, lässt sich der Forumskapitän nicht entlocken.

Bis auf weiteres jedoch wird Klaus Schwab fast jeden Tag im Hauptsitz am Genfersee auftauchen, bei seinen Angestellten Bewunderung auslösen, vereinzelt für ein Stirnrunzeln, manchmal für Verärgerung sorgen. Der gebürtige Deutsche ist der Chefdenker, der Visionär, er akzeptiert laut ehemaligen Managern in wichtigen Belangen nur selten eine andere Meinung.

Ein ehemaliger Managing Director erinnert sich an einen Satz, mit dem Schwab manche Diskussion abschnitt: «Ich weiss, ich habe recht. Die Frage ist nur, wann.» Schwab fordert viel. Er schlägt ein hohes Tempo an, unterwirft die Organisation seinem permanenten Innovationstrieb. Wer nicht mithalten kann, bleibt auf der Strecke. Als gleichwertigen Partner anerkenne er, erzählt eine ehemalige Führungskraft, nur seine Frau Hilde, die grossen Anteil am Erfolg des WEF hat.

Ist Klaus Schwab mit sich zufrieden? «Ich bin stolz auf das, was wir geleistet haben, doch bin ich noch nicht zufrieden damit.»

Artikel von 2012